Laudatio von Christian Felber, Mitglied der Jury des Basler Preises für Integration und Direktor der Christoph Merian Stiftung
Der Basler Preis für Integration wird von der Evangelisch-reformierten und der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt, der Novartis und der Christoph Merian Stiftung gestiftet. Der Preis wird dieses Jahr einer Gesellschaft verliehen, die seit dreizehn Jahren tätig ist und die in dieser kurzen Zeit Beachtliches geleistet hat.
Doch drehen wir das Rad der Zeit zurück, in die Zeit der 1990er-Jahre. Im Unteren Kleinbasel lebten Menschen aus vielen Nationen und unterhielten sich in unzähligen Sprachen. Das Quartier war sehr dicht besiedelt, kaum ein anderes Quartier in der Schweiz zählte annähernd so viele Menschen. Der Alltag nahm dabei seinen gewohnten Gang; es wurde viel und hart gearbeitet, die Kinder gingen in das Bläsischulhaus, Feste wurden gefeiert und – ab und zu – geschah auch ein kleiner Vorfall, ein kleines Delikt.
Die Schweizer Medien, von den Sonntagszeitungen bis zu den Fernsehanstalten, berichteten nicht über die positiven Ereignisse, sondern ausschliesslich über die krummen Touren einiger Quartierbewohner. Bald zählte es zum Standard jeder Berichterstattung, auf einen Einbruch oder einen „Handel“ im Kleinbasel hinzuweisen. Wurde der Mörder von Seewen entdeckt, so sahen die Medien einen Zusammenhang mit dem Bläsiquartier. Dies schürte Fremdenhass, der sich in einer denkwürdigen Meisterrede beim „Gryffemähli“ offenbarte, denkwürdig nur im offen verkündeten Misstrauen gegenüber den Fremden.
Und dann geschah das Wunder, das bis heute andauert und uns hier zusammenführt. Im Kleinbasel schlossen sich Männer und Frauen zusammen und schufen die Gesellschaft zum Bären. Sie waren nicht gegen Frauen, nicht gegen Ausländer, nicht gegen Menschen ohne Grundbesitz oder langen Stammbaum. Sondern sie waren für Offenheit, für Gemeinsamkeit und für Freundschaft unter allen Menschen.
Das Comité der Gesellschaft zum Bären entschloss sich, einen „Gegentag“ zum „Vogel Gryff“ im Kleinbasel ins Leben zu rufen. Am kalten 12. Januar tanzte der Bär zu lauter Musik, zu Trommelspiel und Hornklang. Alle waren dazu eingeladen: Frauen, Kinder, Männer, Menschen aus vielen Schichten und Nationen. Damit wurde eine neue Tradition des gemeinsamen Feierns begründet und der Tag fand seinen Abschluss mit dem „Bärenmahl“ in der Kaserne. Schon im ersten Jahr waren alle Tische belegt, es drängten sich gar Regierungsräte zum Fest und schliesslich kam auch eine Bundesrätin an den Anlass.
Es blieb nicht beim Feiern. Die Gesellschaft zum Bären initiierte Basketball-Trainings in der Samstagnacht. Eine Turnhalle wurde geöffnet und, beargwöhnt von der Polizei, begangen Jugendliche in der Nacht zu spielen. Das Basketballspielen fand ganz ohne Drogen, Gewalt und Kriminalität statt und die Polizei zog sich bald zurück. Denn es gab nichts für sie zu tun.
Mit der Zeit entstanden eigene Basketballmannschaften. Trainer wurden ausgebildet und Spieler lizenziert für einen Spielbetrieb in verschiedenen Ligen. Mädchen und Jungen aus 30 Nationen waren beteiligt. Vom gemeinsamen Feiern bis zum Sport war es Teamwork unter allen Nationen.
Schlussendlich gab es einen Bärencup und ein Jugendcamp, das Bärenlager. Die Fasnacht für Kinder wurde eingeführt. Geld wurde von vielen Seiten gespendet und die Gesellschaft zum Bären konnte Quartiertreffpunkte und Institutionen im Quartier unterstützen.
Nun fragen Sie mich: Wer war der führende Kopf? Dove il re? Who is the king? – Und wir stossen auf ein weiteres Wunder: Es gibt keinen Vorsitz, die Gesellschaft ist rein demokratisch und mit flachen Hierarchien aufgebaut. Es gibt keinen einzelnen Star. Es gibt einige Motoren, die vorantreiben, Frauen und Männer mit Energie, die aber nicht im Rampenlicht stehen wollen. Die Gesellschaft zum Bären ist eine Initiative von Frauen und Männern für die Menschen aus ihrem Quartier, für ein friedliches Zusammenleben, über alle Grenzen hinweg und dies mit grossem Erfolg.
Und die Sonntagszeitungen, die Fernsehanstalten haben kaum mehr Negatives aus dem Unteren Kleinbasel zu berichten. Dort, wo viele Menschen glücklich geworden sind. Und die Fahrt ist nicht zu Ende: Das Feiern, Spielen, das Kennenlernen und Zusammenleben geht weiter.
Wir gratulieren der Gesellschaft zum Bären zum Integrationspreis 2011!