Tischrede von Selim Karatekin, Mitglied der Basler Muslim Kommission, am Bärenmähli 2016
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kinder
Es freut mich sehr, als junger Basler und als Muslim zu Euch sprechen zu dürfen. Vielen Dank für die Einladung! Heute möchte ich mich gern mit dem Thema Islam in der Schweiz und in Basel an Euch wenden.
Der Islam in der Schweiz ist eine Migrationsreligion. Die Muslime sind seit 1960 als Arbeitskräfte in die Schweiz eingewandert. Die überwiegende Mehrheit stammt aus europäischen Ländern, dem Balkan und der Türkei.
Die Muslime leben nicht in zusammenhängenden Ballungszentren, wie in Paris oder Berlin, sondern sie sind über das ganze Land verteilt. Der Aufbau der islamischen Gemeinschaft ist entsprechend der schweizerischen Tradition föderal gestaltet.
Die seinerzeitige Einwanderungsgeneration organisierte sich in sprachlich-kulturellen Vereinen. So entstanden schweizweit ca. 300 Vereinigungen – in Basel-Stadt rund 15 –, die sich der Bewahrung der Kultur, Religion und Sprache widmeten. In der nächsten Generation schlossen sich diese Vereine zu 15 kantonalen und zwei nationalen Verbänden zusammen, zur KIOS, Koordination Islamischer Organisationen Schweiz, und zur FIDS, Föderation Islamischer Dachverbände der Schweiz. Unsere Generation strebt mittels öffentlich-rechtlicher Anerkennung die Konstitution einer Islamischen Glaubensgemeinschaft an, die nicht ethnisch-kulturell, sondern basisdemokratisch nach den Massstäben der Schweiz strukturiert ist. Das Ziel ist eine demokratisch verfasste Glaubensgemeinschaft und Basel-Stadt soll hierfür als Vorzeigekanton dienen.
Zurück zu den Nationalverbänden: Diese sind Mitglieder des Schweizer Rats der Religionen, des höchsten religiösen Beratungsgremiums der Schweiz. Die Zielsetzung der Mitglieder ist vorbildlich:
1. Vertrauensbildung
2. Dialog
3. Zusammenarbeit
Diese Vertrauensbeziehung zeigte bereits eine grosse Wirkung. Im ganzen Land entstanden Gremien der Zusammenarbeit und Verständigung, die sogenannten Runden Tische der Religionen, so auch in Basel.
Aufgrund der demokratischen Tradition und der föderalen Struktur herrscht in der Schweiz eine besondere Situation des friedlichen Zusammenlebens der Religionsgemeinschaften. Wir haben hervorragende Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche, zur reformierten Kirche, zur Israeltischen Gemeinde Basel oder auch zu den Aleviten sowie anderen Religionsgemeinschaften.
Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Auch wir haben Schwierigkeiten und Herausforderungen, die wir sowohl als muslimische Gemeinschaft, aber auch als Gesamtgesellschaft bewältigen müssen. Sei es im Bereich der Integration, im Bereich der politischen Partizipation oder in der Präventivarbeit. Besonders das Jahr 2015 war geprägt von Anschlägen in Europa durch den terroristischen IS, die Flüchtlingsströme aus dem Osten sowie einen aufkeimenden Rechtsextremismus. Massen gingen auf die Strasse und protestierten gegen Flüchtlinge und Muslime. Allein in Deutschland gab es im Jahr 2015 über 500 Anschläge auf Flüchtlingsheime und rund 40 Anschläge auf Moscheen. Zurzeit spielen sich rechtspopulistische Kreise – die früher eher mit anti-feministischen Positionen auffielen – als Frauenrechtsaktivisten auf und missbrauchen die abscheulichen Vorfälle rund um den Kölner Hauptbahnhof, um Stimmung gegen Flüchtlinge im allgemeinen zu machen.
Auch Basel blieb von dieser Welle leider nicht ganz verschont. Gerade letzten Freitag wurde eine Pegida-Demonstration auf dem Marktplatz für den 3. Februar angekündigt. Die gleichen Männer, die im August am Claraplatz eine muslimische Frau mit Kind angeschrien und bedroht hatten, gehen jetzt auf die Strasse, um „unsere“ Frauen zu „schützen“? Für mich ist eine Pegida-Kundgebung keine Meinungsäusserung. Nennen wir das Kind beim Namen: Eine Pegida-Kundgebung ist Volksverhetzung und Verbreitung von Fremdenhass!
Doch dank der etablierten demokratischen Struktur bleiben solche Geschehnisse glücklicherweise in einem sehr kleinen Ausmass. Es sind schwierige Zeiten, die wir alle zusammen durchstehen müssen. Ich glaube, besonders jetzt ist es wichtig, dass wir als Gesamtgesellschaft am gleichen Strang ziehen.
Das Ziel von Extremisten ist offensichtlich: Sie versuchen einen Keil in die Gesellschaft zu treiben. Doch unsere Freundschaft und unser Zusammenhalt wird den Extremisten aller Couleur einen Strich durch die Rechnung machen. Nochmals: Unsere Freundschaft ist der grösste Feind der Extremisten.
Es fragte uns einmal ein Journalist, was die Basler unternehmen sollen, damit die Verständigung mit den Muslimen besser klappt. Die Antwort darauf war folgende: Wir müssen zuallererst runterkommen von dieser intellektuellen Doktor-Doktor-Ebene auf die mitmenschliche, nachbarschaftliche Ebene.
Die Basler sollen – wenn es möglich wäre – sehen, dass die Muslime, wie sie auch, Basler sind. Also eigentlich geht es nicht um „Muslime gegen Basler“ oder „Muslime müssen mit Baslern“. Vielmehr müssen einfach BASLER mit BASLERN.
Und dass man miteinander so verkehrt, wie es Nachbarn miteinander eben tun. Wenn man meint, der Nachbar sei einem so fremd, dann darf man ruhig seiner Neugier nachgeben und sich diesem annähern. Die Problematik liegt meiner Meinung nach nicht in der Religion, sondern vielmehr auf der mitmenschlichen Ebene.
Als muslimische Mitbürger sind wir froh, dass wir uns sowohl auf demokratische Instrumente wie auch auf den guten Willen unserer Schwesterreligionen sowie auch der Behörden und der Öffentlichkeit stützen können. Als Beispiel kann ich die Kasernen-Moschee nennen, die sich gerade nebenan befindet. Diese Moschee ist nun schon seit über 40 Jahren in diesem Areal. Sie hat aufgrund ihrer zentralen Lage und ihrer langjährigen Geschichte einen hohen, wenn nicht historischen Stellenwert bei der muslimischen Bevölkerung. Sie ist seit Jahrzehnten ein Ort der Begegnung mit anderen Kulturen und Religionen und leistet somit einen wesentlichen Beitrag für ein besseres und bunteres Miteinander. Aufgrund der Sanierung der hiesigen Gebäude drohte eine Schliessung der Moschee. Dank der grossen Unterstützung der Basler Bevölkerung und der Basler Politik konnte die Moschee erhalten bleiben. Dies war ein wichtiges Zeichen gegenüber den Muslimen und hat für uns folgendes bedeutet: Ihr seid ein Teil dieser Stadt! Und wir antworten darauf: Unser Herz schlägt für Basel!
Ich möchte meine Rede mit einem Zitat vom bekannten Münchner Imam Benjamin Idriz beenden: „Wer sein Herz für andere nicht öffnet, kann keine Herzen für sich gewinnen.“
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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Die Basler Muslim Kommission hat die Ansprache aufgenommen und online verfügbar gemacht, herzlichen Dank dafür! Hier ist das Video: