Tischrede von Publizistin Regula Renschler am Bärenmähli 2001
Ich schlage vor, dass jeder Fremdsprachige, der neu nach Basel zieht, ein Heft bekommt mit Hinweisen, wo er gratis Sprachkurse besuchen kann, hoffentlich auch während der Arbeitszeit. Hat er sie alle mit Erfolg absolviert, soll er belohnt werden beim Ersuchen um Niederlassung oder Einbürgerung. Gern würde ich das auch für uns Schweizerinnen und Schweizer vorschlagen; einen Bonus für anständiges Hochdeutsch sowie für Kenntnisse in einigen der wichtigsten Bärensprachen. Woraus der Bonus für die Schweizer bestehen könnte, ist mir noch nicht eingefallen.
Die Europäische Union, zu der wir noch nicht gehören, und der Europarat, zu dem wir schon gehören, haben das Jahr 2001 zum «Europäischen Jahr der Sprachen» ausgerufen. Was immer damit gemeint ist – was viele Sprachen anbelangt, liegt Basel mit seinen über 70 Sprachen voll im Trend. Und wird es hoffentlich bleiben, denn die Zukunft der europäischen Städte wird eine kosmopolitische sein. Welcher Art, hängt auch davon ab, wie wir mit unseren Sprachen umgehen.
Wahrscheinlich wird irgendein Pidgin-English den Bewohnern Europas als Umgangssprache dienen, eine Art Buschor-Englisch, das mit der Sprache Shakespeares nur noch den Ursprung gemein hat. Das ist als Verständigungsmittel ganz okay. Doch verdrängen soll das neue Euro-Kreolisch die anderen Sprachen nicht.
«Je mehr Sprachen, desto mehr Seelen» ist bei Goethe nachzulesen. Gemeint hat der sprachgewaltige Dichter, dass je mehr Sprachen ein Mensch spricht (oder auch nur versteht), desto mehr Universen erschliessen sich ihm. Für Goethe war es noch ein geistiges Vergnügen. In Basel geht es heute um mehr; wir müssen einander verstehen, wenn wir miteinander leben wollen – miteinander und nicht nebeneinander.
Wenn ich für Hochdeutsch als Verkehrssprache in Bärenbasel plädiere, dann meine ich damit nicht, dass wir unsere Dialekte oder unsere anderen Sprachen aufgeben sollen – ganz im Gegenteil – wir müssen sie pflegen, denn sie sind ein wesentlicher Teil unserer Identität und im kosmopolitischen Europa von morgen werden die mehrsprachlichen Identitäten zunehmen. Et avec ça, muss ich schliesslich auch verstehen, wenn ich im Supermarkt gefragt werde: «Hän si e Cümülüs-Kharte?» oder mit «e schööne» verabschiedet werde. Bis ich allerdings verstehe, wie die nächste Station heisst, die im Trämmli ausgerufen wird, dauert es schon ein paar Generationen.
Mit einer gemeinsamen Sprache ist schon viel, aber nicht alles getan. Wenn wir wollen, dass wir trotz verschiedener Wertvorstellungen miteinander und nicht nebeneinander leben, wenn wir friedlich und solidarisch sein wollen und nicht abgekapselt in den Ghettos unserer Herkunft verbleiben, dann müssen wir uns auf einen schwierigen, interessanten, Langwierigen Prozess einlassen – viele haben es bereits getan. Nicht immer geht er gut aus, doch das wäre eine längere Rede wert.
Damit er eine grössere Chance hat, gut auszugehen, braucht er Unterstützung. Ich schlage deshalb vor, dass in Basel an der Uni ein Lehrstuhl eingerichtet wird, der das konstruktive Funktionieren multikultureller Gemeinschaften, wie sie in Bärenbasel existieren, untersucht und begleitet. Die Feldforschung wenigstens wäre billiger als in Neu-Guinea oder Bali.
Dann könnte der neue Basler «Event-Service-Manager», der Basel als Stadt der Forschung und Entwicklung und der Gastfreundschaft verkaufen und zur «Event-Stadt Nummer eins» in Europa machen soll, getrost darauf hinweisen, dass in Basel moderne Forschung nicht nur in Sachen Chemie betrieben wird.
Also, liebe Bärinnen und Bären: Lockt den Basler Event Manager in die Höhle der Bären, brummt ihm gut auf bärisch zu und ladet ihn zum nächsten Bäremöhli ein. Damit er hautnah erlebt, dass Basel – gerade weil es eine vielfarbige Stadt ist – Zukunft hat und dass hier Events auf beiden Seiten der Mittleren Brücke stattfinden.